
dist[ex] – Bundeszentrale Infrastruktur für Distanzierungs- und Ausstiegsarbeit ist ein im Jahr 2025 gegründeter Kooperationsverbund, der sich der bundesweiten Vernetzung und Stärkung der Distanzierungs- und Ausstiegsarbeit widmet. In dist[ex] arbeiten Violence Prevention Network gGmbH, Legato/Vereinigung Pestalozzi gGmbH, Grüner Vogel e. V., Interdisziplinäres Zentrum für Radikalisierungsprävention und Demokratieförderung e. V. (IZRD) und die BAG Ausstieg zum Einstieg e. V. eng zusammen an dem Ziel, gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen Trägern, Projekten und Fachkräften der Distanzierungs- und Ausstiegsarbeit aus ganz Deutschland ein Netzwerk aufzubauen, das die fachliche Weiterentwicklung und den Austausch im Arbeitsfeld fördert, die Zusammenarbeit mit relevanten Schnittstellen der Regelstrukturen ausbaut und als zivilgesellschaftliche Interessenvertretung fungiert. Die Koordination des Kooperationsverbunds hat Violence Prevention Network gGmbH inne.
Mit einer Laufzeit von acht Jahren setzt dist[ex] auf Nachhaltigkeit, strukturelle Verankerung und bundesweite Wirksamkeit.
Hintergrund
In unserer Beratungsarbeit erleben wir gesellschaftliche Konflikte in konzentrierter Form. Die zunehmende Polarisierung und Radikalisierung der Gesellschaft führt zu einer verstärkten Verbreitung extremistischer Strömungen. Obwohl sie sich in ihrer Ausprägung unterscheiden, verbinden diese Strömungen gemeinsame Merkmale: Sie vertreten Vorstellungen von Ungleichwertigkeit, lehnen staatliche Institutionen, demokratische Werte und klassische Medien ab und zeigen eine grundsätzlich antipluralistische Haltung. Oft sind sie mit einer Gewaltbereitschaft verbunden oder rechtfertigen Gewalt als Mittel der politischen Durchsetzung. Dadurch entstehen abgeschottete Milieus mit geschlossenen Weltbildern, in denen etablierte Mechanismen der Konfliktlösung abgelehnt und eine pluralistische Willensbildung verhindert wird.
Vor diesem gesellschaftlichen Hintergrund ergeben sich vielfältige Herausforderungen für die Distanzierungs- und Ausstiegsarbeit. Als bundesweite Infrastruktur stellt sich dist[ex] diesen Herausforderungen und drängenden Fragen:
- Wie kann die Zusammenarbeit an fachlichen Schnittstellen – etwa in der Kinder- und Jugendhilfe, im Gesundheitswesen, bei Sicherheitsbehörden sowie in Wissenschaft, Forschung und Politik – verbessert und ausgebaut werden? Diese zentrale Herausforderung für die Praxis diskutieren wir im dist[ex]-Verbund und erarbeiten konkrete Lösungsansätze.
- In Deutschland hat sich in den letzten Jahrzehnten eine hochqualifizierte und spezialisierte Präventionslandschaft entwickelt, die international einzigartig ist. Der dist[ex]-Verbund setzt sich dafür ein, diese Landschaft sowohl phänomenspezifisch als auch phänomenübergreifend weiterzuentwickeln, Akteur*innen zu vernetzen und nachhaltige Synergieeffekte für Praktiker*innen zu schaffen.
- Die gesellschaftlichen Entwicklungen und der damit verbundene Beratungsbedarf haben unterschiedliche Ansätze in der Arbeit mit Zielgruppen hervorgebracht. Einige Ansätze konzentrieren sich auf sich radikalisierende oder bereits radikalisierte Personen, andere auf deren Umfeld und Familie. Während einige Konzepte auf Freiwilligkeit setzen, zielen andere darauf ab, auch Personen ohne eigene Motivation für eine Beratung zu erreichen. Um den dynamischen gesellschaftlichen Entwicklungen gerecht zu werden, müssen diese Ansätze voneinander lernen können.
dist[ex] arbeitet kontinuierlich an diesen und weiteren gesellschaftlichen sowie fachlichen Herausforderungen. Wir entwickeln Kompetenzen, Konzepte und Strukturen, um diesen Herausforderungen noch besser zu begegnen und die Beratungspraxis weiter zu qualifizieren. Im Mittelpunkt steht dabei die Vernetzung von Distanzierungs- und Ausstiegsprojekten untereinander sowie mit anderen relevanten Akteur*innen und Zielgruppen.
Unser Ziel ist es, bis spätestens 2028 ein Netzwerk zu schaffen, das alle zentralen Stakeholder strukturell einbindet und als Plattform für Innovation und Austausch dient. Unser klarer Fokus liegt darauf, praxisnahe Methoden weiterzuentwickeln und die interdisziplinäre Zusammenarbeit nachhaltig zu fördern.
IZRD im Verbund dist[ex]
Als Verbundspartner von dist[ex] kann das IZRD seine Expertise im Bereich der phänomenübergreifenden sowie phänomenspezifischen Extremismusprävention einbringen – insbesondere mit einem Fokus auf die systemische und gestalttherapeutische Umfeld-, Distanzierungs- und Ausstiegsarbeit. Mit unseren Schwerpunkten in der Arbeit, u.a. zum Thema Verschwörungserzählungen und Weltanschauungsfragen, religiös begründetem Extremismus und antidemokratischen Weltanschauungen sowie deren Zusammenhang zum Kinderschutz werden wir einen wichtigen Beitrag zu den Bereichen Strukturentwicklung, Vernetzung, Wissenstransfer, Qualitätsentwicklung und fachpolitischer Interessenvertretung der Distanzierungs- und Ausstiegsarbeit beisteuern.
Die geplanten Maßnahmen umfassen:
Impulse & Transfer
In zielgruppenspezifischen Strukturanalysen werden wir 2025 Bedarfe und Leerstellen erheben und auswerten, um darauf aufbauend Angebote anzupassen, weiterzuentwickeln sowie nachhaltige Vernetzungsstrukturen zu schaffen. Damit wollen wir die Fachkräfte der Distanzierungs- und Ausstiegsarbeit von Anfang an in die konzeptionelle und inhaltliche Arbeit des dist[ex]-Verbundes partizipativ einbeziehen.
Darauf aufbauend entwickelt das IZRD themenspezifische Arbeitsgruppen für Fachkräfte der Distanzierungs- und Ausstiegsarbeit, um ab 2026 den bundesweiten Austausch und die Entwicklung gemeinsamer Fachbeiträge umzusetzen. Zudem treibt das IZRD die Vernetzung mit relevanten Akteur*innen der Kinder- und Jugendhilfe sowie dem Gesundheitssektor voran und organisiert hierzu Fachgespräche zu nachhaltigen Verbesserung der Zusammenarbeit.
Im Rahmen von dist[ex] führt das IZRD das Bundesnetzwerk Verschwörungserzählungen weiter, dem aktuell 20 Fachorganisationen/Projekte angehören. Im Rahmen der Treffen werden u.a. Maßnahmen zur Qualitätsentwicklung der Arbeit umgesetzt, Ideen zur besseren Zielgruppenerreichung eruiert, tagesaktuelle Themenschwerpunkte und Herausforderungen besprochen und bearbeitet sowie der Austausch und Zusammenhalt im Netzwerk gefördert.
Darüber hinaus wirkt das IZRD aktiv an der internationalen Vernetzung und dem Fachaustausch mit. Dafür wird bspw. das Methodenlehrbuch für die Beratungspraxis im Themenfeld religiös begründeter Extremismus ins Englische übersetzt. Damit soll ein zentraler Ausschnitt der in Deutschland tätigen Fachpraxis sowie der hier angewandten methodischen Ansätze Praktiker*innen anderer Länder vorgestellt werden, die davon profitieren und Anregungen und Praxiswissen in die eigene Arbeit integrieren können. Außerdem wirkt das IZRD an Fachpublikationen des Verbunds mit.
Qualitätsentwicklung
2025 bereitet das IZRD eine von insgesamt vier geplanten sog. Safety-First-Konzeptwerkstätten vor, die mit den Fachkräften des Arbeitsfelds ab 2026 umgesetzt werden soll. Ziel der durch das IZRD geleiteten Konzeptwerkstatt ist die Entwicklung eines Grundlagen-Konzepts zum "Kinder- und Jugendschutz" für das Arbeitsfeld. Hierzu greift das IZRD auf Erfahrungen und Expertise im Bereich der Verzahnung von Radikalisierung, Extremismus und Kinderschutz zurück (u.a. WelEx-Projekt, Fortbildungskurs für Berliner Grundschulfachkräfte) und möchte die phänomenübergreifende Beratungspraxis künftig darin unterstützen, Rechts- und Handlungssicherheit zu Fragen des Kinder- und Jugendschutzes gewinnen. Ein gesonderter Fokus soll dabei auf den Online-Raum gelegt werden.
Fachpolitische Interessenvertretung
Das IZRD nutzt seine verschiedenen Kanäle (u.a. Website, Newsletter und Social Media), um regelmäßig Einblicke in den Aufbau und die Arbeit von dist[ex] zu geben. Zudem stellt es die Arbeit von dist[ex] auf Veranstaltungen sowie auf Fachmessen (u.a. Deutscher Präventionstag und Deutscher Kinder- und Jugendhilfetag) vor.
Durch Policy-Briefings sowie mit der gemeinsamen Erarbeitung von Stellungnahmen und regelmäßigen Austauschformaten beteiligt sich das IZRD am fachlichen Austausch mit Politik, Wissenschaft und Medien.
Mit diesen Maßnahmen gestaltet das IZRD aktiv die Zukunft der Distanzierungs- und Ausstiegsarbeit in Deutschland mit.
Projektlaufzeit bis:
31.12.2032